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Arbeitshypothesen

6. These: Prekäre Arbeitsbedingungen beeinträchtigen die Qualität der Forschung und verschwenden öffentliche Gelder und Ressourcen.

Erklärung: 

Steuergelder finanzieren häufig wissenschaftliche Arbeiten und werden durch die Arbeitsbedingungen im Wissenschaftssystem nicht effizient genutzt. Allein in die biomedizinische Forschung fließen weltweit jährlich bis zu 240 Milliarden US-Dollar. Von diesen Investitionen werden schätzungsweise 85 Prozent verschwendet. Grund dafür können nicht reproduzierbare oder nicht weiter verwendbare Ergebnisse sein. Der Publikationsdruck fördert zusätzlich den Zwang, regelmäßig an Projekten zu arbeiten, die möglichst schnell publikationsfähig sind. Durch die genannten Rahmenbedingungen fehlt es an Zeit und Wertschätzung, um neue Ideen auszuarbeiten. Diese Problematik, die man plump als “Forschung für die Tonne” bezeichnen kann, wird dadurch weiter angeheizt und Steuergelder aufgebraucht.
Die Wissenschaft kann es sich nicht leisten, Gelder, Arbeits- und Materialressourcen zu verschwenden. Forschungen ohne tatsächlichen Mehrwert verschwenden wichtige Ressourcen und öffentliche Gelder. Ergebnisse, die nicht wiederholbar sind, führen zu einem stagnierenden Wissensstand und können darauf aufbauende Forschung gefährden. Wissenschaftliche Ergebnisse und deren späterer Nutzen für die Gesellschaft können nicht vorhergesagt werden. Der Wissensgewinn für die Gesellschaft sollte im Vordergrund stehen. Hierfür müssen neue Merkmale zur Förderung von Karrieren geschaffen werden

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5. These: Prekäre Arbeitsbedingungen unterbinden Wissenschaftskommunikation. Dadurch, dass vielen Bürger:innen der Zugang zu Wissenschaft fehlt, spielt sie in politischen Prozessen häufig eine zu kleine Rolle.

Erklärung:

Über Wissenschaftskommunikation ist das Teilen von wissenschaftlichen Erkenntnissen zwischen Wissenschaftler:innen und der Gesellschaft möglich. Bürger:innen benötigen Zugang zum aktuellen Kenntnisstand der Forschung, um an politischen Prozessen und der Meinungsbildung teilnehmen zu können. Das Verständnis für Wissenschaft schützt vor Pseudowissenschaften und verstärkt das Vertrauen der Bevölkerung in wissenschaftliche Prozesse. Die Bevölkerung trägt zusätzlich durch Steuergelder zur Generierung von Wissen bei und erlangt dadurch das Recht, über aktuelle Kenntnisstände aufgeklärt zu werden. Wissenschaftler:innen sollten die Möglichkeit haben, Wissenschaftskommunikation auszuüben. Dafür müssen die nötigen Rahmenbedingungen, auch in Form von Anerkennung, gegeben sein. Wissenschaftskommunikation ist derzeit ein Luxus, der nur von wenigen umgesetzt werden kann. Gute Kommunikation über komplexe Themen erfordert Zeit und finanzielle Ressourcen: Beides fehlt im Wissenschaftsalltag. Für Wissenschaftskommunikation werden keine Anreize geschaffen, da sie die Karriere nicht fördert. Die Wissenschaftskommunikation muss neben Publikationen einen karrierefördernden Stellenwert erhalten und unterstützt werden.

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4. These: Prekäre Arbeitsbedingungen werden durch problematische Bewertungsstrukturen und falsche Anreize im System verstärkt.

Erklärung:

Eine Karriere in der akademischen Forschung ist ein ständiger Kräftevergleich, der durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz angefeuert wird. Wenn das entscheidende Kriterium für Neueinstellungen die Anzahl von Publikationen ist, verleitet das zu vorschnellem oder unsauberem Arbeiten – ein Phänomen, das häufig zu beobachten ist. Denn “Wer in der Wissenschaft Erfolg haben will, muss viel veröffentlichen. Die Folge [können] halb gare Ergebnisse, nicht wiederholbare Versuche, Pseudo-Journale [sein].” Dieses Problem im wissenschaftlichen Karriereprozess beschreibt man als Publikationsdruck. In der Kurzform “publish or perish” (dt. “publiziere oder gehe unter”) wird das Ausmaß auf den Punkt gebracht. Wer nicht publiziert, nimmt nicht am Wettlauf um unbefristete Stellen teil und wird somit unsichtbar für das System. In den Bewertungsstrukturen wird Quantität über Qualität gestellt, sodass die Vertrauenswürdigkeit der Forschungsergebnisse gefährdet wird. Diese Art des Bewertens schmälert den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert der geleisteten Arbeit. Eine zusätzliche Folge ist die Literaturflut: Es wird schwieriger, Publikationen zu sichten und in den aktuellen Wissensstand einzuordnen.

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3. These: Prekäre Arbeitsbedingungen verhindern einwandfreie wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung. Sie schaffen zudem keine Anreize für gute Lehre oder Betreuung von Studierenden.

Erklärung: 

Förderung von Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen ist ein essenzieller Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit. Anreize für gute Lehre sind deshalb notwendig. Die Rahmenbedingungen stellen dabei ein Hindernis dar: Hierarchien stehen optimaler Betreuung im Weg. Betreuende und Professor:innen müssen oft viele Promotionen gleichzeitig beaufsichtigen, wobei jede einzelne einen hohen Zeitaufwand benötigt. Promovierende und Postdocs sind neben ihrer für die Karriere relevanten Forschung unverzichtbar für die Umsetzung von Lehraufträgen. Befristete Teilzeitstellen sind die Norm, obwohl das aus den Verpflichtungen resultierende Arbeitspensum ausschließlich mit Überstunden zu bewältigen ist. Die Promovierenden und Postdocs häufen durchschnittlich 10 bis 13 Überstunden pro Woche an, das ergab der BuWiN 2021. Zusätzliche Arbeitsstunden werden jedoch nicht entlohnt und können häufig nicht anderweitig ausgeglichen werden. Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen berichten verstärkt von psychischer Belastung. Betroffene brechen aufgrund der hohen Last ihre Promotion ab oder werden dadurch gezwungen, die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zu missachten. Die Qualität der Lehre hat einen geringen Stellenwert im Vergleich zu Publikationen oder der Beschaffungen von Forschungsmitteln. Dadurch fehlt es an Anreizen zu guter Lehre und die Qualität der Betreuung von Doktorand:innen und Studierenden wird gefährdet – ein Teufelskreis. 

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2. These: Prekäre Arbeitsbedingungen gefährden die Qualität wissenschaftlichen Arbeitens.

Erklärung:

Im Wissenschaftssystem herrschen hohe Leistungsansprüche und große Konkurrenz. Der Bundesbericht für wissenschaftlichen Nachwuchs (BuWiN) 2021 dokumentiert, dass 92 Prozent des hauptberuflich tätigen Personals an Hochschulen befristet beschäftigt ist. Professor:innen und Personen über 45 Jahre wurden hier ausgenommen. Den Beschäftigten werden durch die befristeten Verträge Zukunftsperspektiven und Arbeitssicherheit genommen: Sie stehen im ständigen Wettbewerb. Hinzu kommen unüberschaubare Arbeitszeiten und dadurch massive Überstunden, die oft trotz gesetzlicher Verpflichtung weder vergütet noch aufgezeichnet werden. Diese Arbeitsbedingungen sind belastend, überfordernd und beeinträchtigen unter anderem die Familienplanung.
Der Kodex zur guten wissenschaftlichen Praxis, welcher im August 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) verabschiedet wurde, behandelt viele der genannten Probleme. Er versucht, eine Grundlage zu deren Veränderung in DFG-geförderten Projekten zu schaffen. An Institutionen fehlen jedoch vielfach die Bedingungen, um genannte Maßnahmen flächendeckend einzuhalten und zu kontrollieren. Universitäten und Lehrstühle profitieren von kostengünstigen und gleichzeitig motivierten Arbeitskräften. Das Wissenschaftssystem bietet aufgrund seiner hierarchischen Strukturen Raum für Machtmissbrauch. Leitungen sollten verpflichtet werden, Bedingungen zu schaffen, die gesunde Beschäftigung, faire Arbeitsumstände und somit auch hochwertige Wissenschaft fördern. Bewegungen aus Betroffenenkreisen wie “Ich bin Hanna” weisen bereits auf Teile des Problems hin und fordern nachhaltige Veränderungen.

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1. These: Wissenschaft ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Sie muss im Sinne des Fortschritts und im Interesse der Bevölkerung gefördert werden.

Erklärung:

Die Wissenschaften bestehen aus einem Zusammenspiel von Wissenserwerb und kritischer Prüfung von Ergebnissen. Sie sind die Basis für den gesamtgesellschaftlichen Fortschritt und werden zur Bewältigung von Krisen benötigt. Die aktuellen Problemstellungen erfordern daher einen gesellschaftlichen Wandel und technologische Lösungen. Für die Bürger:innen müssen dafür bestehende Missstände nachvollziehbar sein, um wirksame Veränderungen anstoßen zu können. Sie haben durch die Bereitstellung von Daten die Möglichkeit, sich zu informieren und größere Zusammenhänge zu verstehen. Alle Bürger:innen unserer Gesellschaft profitieren somit vom Erkenntnisgewinn durch die Arbeit der Wissenschaftler:innen. Zur Lösung von Problemen werden in der Wissenschaft relevante Empfehlungen und Strategien aus Daten hergeleitet. Im Wissenschaftssystem gelten daher Grundsätze für die Gewinnung von gültigen und verlässlichen Erkenntnissen. Die Qualität der wissenschaftlichen Praxis soll durch geltende fachspezifische Standards gesichert werden. Beschäftigte im Wissenschaftssystem befinden sich allerdings in einem Spannungsfeld aufgrund gegensätzlicher Anforderungen. Auf der einen Seite stehen schlechte Arbeitsbedingungen, der Leistungs- und Publikationsdruck, während auf der anderen Seite die Verpflichtung zum guten wissenschaftlichen Arbeiten steht. Diese hohen Anforderungen erschweren die strikte Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis und schaden damit der Wissenschaft als Ganzes.

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