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Forschung zu Cancel Culture an deutschen Hochschulen

Titel: Akademische Redefreiheit an deutschen Hochschulen
Autor:innen: Gregor Fabian, Mirjam Fischer, Julian Hamann, Uwe Schimank,Christiane Thompson, Richard Traunmüller, Paula-Irene Villa, Anna Hofmann, Matthias Koch
Journal: ZEIT-Stiftung Bucerius und Deutsches Zentrum für Hochschul- und WIssenschaftsforschung (DZHW)
Kernproblem: deutsche Hochschulen sind, anders als es die Debatte der letzten Jahre nahelegt, nicht von Cancel Culture und ideologischem Druck, sondern von Wissenschaftsfreiheit in Lehre und Forschung geprägt

Im Rahmen der repräsentativen Studie wurden 9.000 Wissenschaftler:innen deutscher Hochschulen zu den (selbst oder im akademischen Umfeld) erlebten Grenzen von Wissenschaftsfreiheit sowie ihren Befürchtungen von Nachteilen in Forschung und Lehre befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass an Hochschulen keine Cancel Culture im Sinne von echter Zensur stattfindet.
Eine große Mehrheit der befragten Wissenschaftler:innen (79 %) beurteilt Autonomie und Forschungsfreiheit der Wissenschaft positiv und nimmt keine  Einschränkungen wahr. Weiterhin belegt die Studie eine akademische Lust an kontroverser Auseinandersetzung. Die Universität wird als moralisch offener und unzensierter Diskursraum wahrgenommen.
Eine Mehrheit der Wissenschaftler:innen wünscht sich zudem Veranstaltungen und Debatten über kontroverse Themen wie Genderidentitäten oder Nahostkonflikt. Nur knapp 2 % berichten von Absagen einer Lehrveranstaltung aus Angst vor Druck oder negativen Folgen. 
Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass Teile der Wissenschaftler:innen moralische Abwertungen an den Universitäten erleben (6 %) und Forschende aus Angst vor negativen Konsequenzen (14 %) oder befürchteten Drucksituationen (12 %) bestimmte Themen oder Veröffentlichungen vermeiden. 
Die Studie gibt keine Auskunft über die Gründe dieser Befürchtungen, legt jedoch nahe, dass die öffentliche Debatte um Zensurkultur nicht zu deren realer Umsetzung führt, allerdings Auswirkungen auf den akademischen Alltag von Wissenschaftler:innen hat und zu Selbstzensur führen kann. Zuletzt zeigt die Studie, dass die Universitäten keine (links-)polarisierten Orte sind. Zwar verorten sich mehr Wissenschaftler:innen links (38 %) der politischen Mitte als rechts von ihr (9 %), die Mehrheit (53 %) bezeichnet sich selbst jedoch als politische Mitte. 

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Geschlechterungleichheiten in wissenschaftlichen Karrieren

Titel: Historical comparison of gender inequality in scientific careers across countries and disciplines (dt. Geschlechterungleichheiten in wissenschaftlichen Karrieren im historischen Vergleich von verschiedenen Ländern und Disziplinen)
Autor*innen: Junming Huang, Alexander J. Gatesa, Roberta Sinatrad and Albert-László Barabási
Journal: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), 2020
Kernproblem: Trotz des gestiegenen Anteils von Frauen in der Wissenschaft, gibt es weiterhin deutliche Unterschiede in der Geschlechterverteilung.

Die amerikanische Studie bietet eine Analyse der Geschlechterungleichheit in wissenschaftlichen Karrieren: 1,5 Millionen Wissenschaftler*innen aus 83 Ländern und 13 Disziplinen, deren Karriere zwischen 1955 und 2010 endeten, sind anhand ihrer gesamten Veröffentlichungen miteinander verglichen worden. Die Studie zeigt, dass der Anteil von Frauen in der Wissenschaft in den letzten 60 Jahren zwar gestiegen ist, aber weiterhin deutliche Unterschiede in der Geschlechterverteilung bestehen. Der Frauenanteil variiert außerdem stark zwischen den Disziplinen und Ländern. In Deutschland lag der Anteil von Frauen in der Wissenschaft zum Beispiel bei 28 Prozent. Zu den Erkenntnissen gehört darüber hinaus, dass Männer im Vergleich zu Frauen im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere mehr wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichen. Ein wesentlicher Grund ist, dass Männer in vielen Fällen eine längere Karriere in der Wissenschaft haben als Frauen. Dies hängt unter anderem mit Faktoren wie Familienverantwortung, Unterstützungsstrukturen und Vorurteilen zusammen. 

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University drops Impact Factor

Titel: University drops Impact Factor
Autor:innen: Chris Woolston
Journal: Nature Article, 2021
Kernproblem: Die Bewertung von Wissenschaftler*innen durch ein Punktesystem

Die Universität Utrecht in den Niederlanden hat beschlossen, den Impact-Faktor (IF), ein Punktesystem zur Bewertung von wissenschaftlichem Erfolg, bei ihren Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen nicht mehr zu verwenden. Das Problem mit dem IF ist, dass er kein Maß für die Qualität einer Arbeit ist. Er gibt nur Auskunft darüber, wie oft eine Publikation in anderen wissenschaftlichen Arbeiten durchschnittlich pro Jahr zitiert wurde. Stattdessen werden sie Gelehrte anhand von Kriterien wie Teamarbeit und Engagement für offene Wissenschaft bewerten. Diese Entscheidung ist Teil des Open-Science-Programms von Utrecht. Forschung soll so transparenter und kooperativer gestaltet werden. Die Maßnahme wurde teilweise durch die Erklärung San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) beeinflusst. Diese fordert, den Einsatz von Impact-Faktoren zur Bewertung von Wissenschaftler*innen zu beenden. Stattdessen soll mit DORA auch andere Forschungsleistungen berücksichtigt werden und nicht nur Publikationen. Trotz möglicher Herausforderungen ist Utrecht der Ansicht, dass dieser Wandel notwendig ist, um bedeutende Beiträge zur Forschung zu fördern.

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Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus

Titel: Prekäre Wissensarbeit im akademischen Kapitalismus
Autor: Peter Ullrich 
Journal & Jahr: Soziologie 2016 
Kernproblem: Falsche Anreize und Strukturen im Wissenschaftssystem

Ullrich beschreibt die prekären Beschäftigungsverhältnisse, die von befristeten Verträgen, Teilzeitstellen und unsicherer Einkommenssituation geprägt sind. Diese prekäre Situation wird als Ergebnis des “akademischen Kapitalismus” betrachtet, der durch die Unterfinanzierung der Hochschulen, steigende Studierendenzahlen und eine zunehmende Abhängigkeit von externen Fördergeldern gekennzeichnet ist. Häufig wird auf Quantität statt Qualität als Zwang gesetzt. Die universitäre Landschaft orientiert sich vor allem an nicht-inhaltlichen Kennziffern wie Studierendenzahlen, Drittmitteln, Patenten, Auszeichnungen und Publikationen. Diese “Herrschaft der Zahlen” (Münch  2011:  13) etabliert eine Kultur, in der der Wettbewerb verschärft wird und künstliche Markteffekte inszeniert werden, was nicht zwangsläufig zu mehr Effizienz führt, sondern den Einfluss sozialer Faktoren im Ausleseprozess verstärkt (Rogge 2015b: 703).

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