
Die Physiker und Podcaster Nikolas Wöhrl und Reinhard Remfort erklären seit über zehn Jahren unterhaltsam und faktenbasiert die Welt der Wissenschaft. In ihrem Podcast “Methodisch inkorrekt!” klären die beiden auch viel über Schwurbelei auf. Im Gespräch geben sie Einblicke in ihre Arbeit undihre Motivation – und erzählen, auf welchen Schwurbel sie mal reingefallen sind.
Selbst schon mal auf einen Schwurbel reingefallen?
Reinhard Remfort: Als ich zwölf Jahre alt war, fand ich die pseudowissenschaftlichen Sachen von Erich von Däniken spannend. Generell die ganzen Fragen: Gibt es Aliens oder nicht? Quatsch halt, den man als Jugendlicher spannend findet, wenn man viel Science Fiction liest.
Nicolas Wöhrl: In meiner Familie hatten wir tatsächlich in der Hausapotheke auch Homöopathie. Erst als ich studierte, habe ich begriffen, dass das keine ernsthafte Alternative ist, sondern nichts, was über einen Placeboeffekt wirkt.
Und was ist genau das Problem, wenn Menschen an solche Schwurbeleien glauben?
Nicolas Wöhrl: Da gibt es Probleme auf zwei Ebenen. Auf der persönlichen Ebene liegt das Problem oft in der Medizin, beziehungsweise in pseudomedizinischen Versprechungen. Gerade Menschen, die in einer sehr verzweifelten Lage sind, stürzen sich auf falsche medizinische Versprechungen und erhoffen sich endlich Hilfe zu bekommen. Bei der Pseudo-Medizin gibt es aber keine Belege, dass diese wirklich eine heilende Wirkung hat. Die zweite Ebene ist das gesellschaftliche Problem. Wir müssen anfangen, Fakten ernstzunehmen. Gerade der vergangene Wahlkampf hat gezeigt, wie leicht Schwurbelei Anklang in der Bevölkerung findet und zum Beispiel der menschengemachte Klimawandel angezweifelt wird.
Gibt es denn eine klare Trennlinie zwischen Schwurbelei und Wissenschaft?
Reinhard Remfort: Bei Schwurbelei kann jede Person alles behaupten, ohne dass es Beweise gibt oder eine Methodik, die das überprüfen kann. In der Wissenschaft wird diskutiert, es werden Methoden zur Überprüfung angewendet und es gibt gewisse wissenschaftliche Standards, an die man sich bei der Forschung halten muss.

Motiviert euch das auch, den Podcast zu machen?
Reinhard Remfort: Den Podcast machen wir seit zwölf Jahren. Die Idee war nicht, uns über Schwurbelei aufzuregen. Die Idee entstand eher aus einem Pflichtgefühl. Forschung wird häufig durch Steuergeldern finanziert und damit haben wir auch die Verantwortung der Bevölkerung zu erklären, was wir eigentlich in der Wissenschaft machen. Als wir zusammen in der Uni-Mensa saßen, haben wir uns viel über Wissenschaft unterhalten und auch selbst viel Podcast gehört. Dabei kam uns der Gedanke: So ein Format, bei dem über Wissenschaft gesprochen wird, gibt es noch nicht.
Nicolas Wöhrl: Wir haben auch die dankbare Situation, dass uns nie der Stoff ausgeht. Wissenschaft geht immer weiter und es macht uns wahnsinnig viel Spaß. Wir sprechen auch über Fächer, die wir selbst nie studiert haben und lernen dadurch selbst viel.
Habt ihr dadurch keine Angst, etwas falsch zu machen?
Reinhard Remfort: Wir haben immer Angst, etwas falsch zu erklären und sagen immer, dass wir zum Beispiel von der Chemie wenig Ahnung haben. Wenn es passiert, ist es ärgerlich. Aber wir haben eine tolle Community mit vielen Wissenschaftler*innen, die uns per Audio den Sachverhalt richtig erklären. Und das Audio können wir dann auch in der nächsten Folge einspielen. Interessant wird es bei den Nobelpreis-Folgen, weil wir da die Themen nicht aussuchen können. Wir sitzen dann schwitzend da und denken uns: “hoffentlich kann ich das in diesem Jahr erklären”. Und dann gibt es den Preis über Topologie in der Physik und du verstehst kein Wort und denkst nur “scheiße”.
Nicolas Wöhrl: Wenn wir etwas falsch machen, ist es uns peinlich, aber zeigt auch, dass das Korrigieren und Aufzeigen der Fehler viel Vertrauen in uns schafft. Oft ist die Wissenschaft von oben herab und ist für Laien schwer von Glauben zu unterscheiden. Ich denke, unsere Hörer vertrauen uns auch, weil wir nie behauptet haben, fehlerfrei zu sein und alles öffentlich korrigieren.
Ich würde gern die Angst und den Respekt vor Wissenschaft nehmen
Reinhard Remfort
Eure Zielgruppe sind dabei Menschen, die eigentlich nichts mit Wissenschaft zu tun haben. Erreicht ihr sie auch?
Reinhard Remfort: Wir wollen Wissenschaftler*innen aber auch nicht Wissenschaftler*innen erreichen. Anfangs waren es viele aus der Wissenschaft, aber mittlerweile ist unsere Community bunt. Auf unseren Live-Shows lernen wir die Menschen kennen. Unser Publikum besteht aus dem Professor an der Uni, aber auch aus Personen, die in der Mittelstufe Physik abgewählt haben.
Nicolas Wöhrl: Ein Fun Fact: Wir bekommen immer wieder die Rückmeldung, dass uns viele Landwirte beim Treckerfahren hören. Es ist total faszinierend. Einen Vorwurf kann man uns aber machen. Wir erreichen vermutlich nicht die Menschen, die Wissenschaft kritisch sehen. Aber ansonsten ist die Wissenschaft ein dankbares Feld, weil die Menschen laut Umfragen auch Interesse daran haben. Die Leute haben uns gefunden, wir haben nicht viel gemacht. Bei der Bühnenshow versuchen wir andere Leute zu erreichen, die zum Beispiel das Medium Podcast nicht mögen, sich aber abends Wissenschaftsshows mit viel Unterhaltung ansehen wollen.

Ihr produziert einen wissenschaftlichen Podcast, aber seid selbst nur teilweise im deutschen Wissenschaftssystem. Wieso?
Nicolas Wöhrl: Weil es nicht ganz so einfach ist. Wenn es für uns beide eine einfache Möglichkeit gegeben hätte, weiter forschen zu können, dann hätten wir es gemacht. Ich hatte Glück und bekam eine Stelle.
Reinhard Remfort: Ich war für eine kurze Zeit in der Wissenschaft tätig und habe in Mannheim an der Hochschule gearbeitet. Ich habe gemerkt, dass meine beiden Podcasts zu viel Aufmerksamkeit brauchen.
Hattet ihr einen Lieblingsmoment in der Wissenschaft?
Reinhard Remfort: Sehr banal und einfach: Während meiner Promotion habe ich eine Probe weggeschickt und es kam genau das raus, was ich wollte. Das war toll, weil ein ganzes Jahr Arbeit daran hing.
Nicolas Wöhrl: Zum ersten Mal etwas zu verstehen und den Vorhang etwas weiter zu öffnen macht sehr viel Spaß. Konferenzen und internationaler Austausch, neue Kulturen und wissenschaftliche Felder zu entdecken.
Hattet ihr eine Phase, in der ihr besonders gestruggelt habt?
Nicolas Wöhrl: Die Zeit der Promotion war nicht einfach. Ich wusste nicht, ob ich in der Wissenschaft bleiben möchte. Ich hatte einen tollen Professor, aber es waren trotzdem prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Gehst du in die Industrie und verdienst Geld? oder bleibst weiter in der Wissenschaft und musst betteln, irgendwo unterzukommen? Ich habe viele talentierte Menschen gesehen, die frustriert aus dem System rausgeflogen sind. Keine schöne Strategie, so mit gut ausgebildeten Menschen umzugehen.
Reinhard Remfort: Man muss Glück haben, in eine Arbeitsgruppe zu kommen, die genug Geld hat. Die Physik-Promotion beenden viele mit Mitte 30 und da beginnen viele außerhalb der Wissenschaft schon eine Familie zu gründen. Doch in der Wissenschaft sind die Strukturen zu miserabel dafür.
Was möchtet ihr mit dem Podcast vor allem den Menschen mitgeben?
Reinhard Remfort: So vieles. Ich würde gern die Angst und den Respekt vor der Wissenschaft nehmen. Wissenschaft kann so spannend sein wie ein Krimi und man muss kein Genie sein für Wissenschaft.
Nicolas Wöhrl: Vertrauen in die wissenschaftliche Methodik schaffen. Man biegt mal falsch ab, aber kann sich korrigieren und neu aufstellen. Wissenschaft ist der beste Ratgeber.
Reinhard Remfort ist 42 Jahre alt und promovierter Physiker. Bekannt ist er vor allem als Podcaster in den Formaten Methodisch inkorrekt! und Alliteration am Arsch, wo er Wissenschaft und Alltag mit einer großen Portion Humor verbindet. In seiner Freizeit begeistert er sich für Computerspiele, tüftelt an alter Technik und repariert klassische Spielekonsolen. Auch nostalgische Science-Fiction hat es ihm angetan. Besonders fasziniert ist er von der Fähigkeit Richard Feynmans, komplexe physikalische Zusammenhänge mit einfachen Bildern zu erklären. Generell begeistert ihn jede Forschung, die uns ein Stück näher an die utopische Vision des Star Trek-Universums bringt.
Nicolas Wöhrl ist 51 Jahre alt und promovierter Physiker. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Duisburg-Essen im Bereich der Experimentalphysik. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist er vor allem als Podcaster bei Methodisch inkorrekt! bekannt, wo er komplexe Forschungsthemen unterhaltsam und verständlich aufbereitet. In seiner Freizeit ist er sportlich unterwegs – ob auf dem Rennrad, beim Laufen oder Klettern – und begeistert sich zudem für Fotografie und Videographie. Seine liebsten „Forscher“ sind seine eigenen Kinder, deren natürliche Neugier und Entdeckerdrang ihn immer wieder aufs Neue faszinieren.